Sittensen

Wie guter Schlaf zu mehr Erfolg im Leben führt

Als Anästhesist versetzt er Patienten in einen künstlichen Schlaf. Doch auch mit natürlichem Schlaf kennt sich Dr. Martin Schlott bestens aus. Als Schlafcoach zeigt er Menschen, wie sie schon mit kleinen Veränderungen im Alltag nachhaltiger zur Ruhe kommen, ihre Akkus aufladen und leistungsfähiger werden. Der in Tiste bei Sittensen aufgewachsene Mediziner aus Bad Tölz hat ein Buch darüber geschrieben, das am Montag erscheinen wird: „Erfolgsfaktor Schlaf“. Im Gespräch mit Redakteur Lutz Hilken gibt er Tipps für eine optimierte Nachtruhe.

Schlaflose Frau liegt im Bett und schaut auf einen Wecker.

Schlechter Schlaf ist ein Problem, das viele Menschen betrifft. Wie es auch anders geht und eine erholsame Nachtruhe möglich wird, erläutert Schlafcoach Dr. Martin Schlott in seinem Buch "Erfolgsfaktor Schlaf". Foto: obs


Herr Schlott, was hat Sie dazu bewogen, ein Buch übers Schlafen zu schreiben? Ich habe eine normale Medizinerlaufbahn bestritten, bin dann als Chefarzt von der fachlichen in die Führungsrolle gewandert. Das hat mir am Anfang Schwierigkeiten bereitet, weil wir in der Medizin nicht darauf vorbereitet werden. Daher habe ich eine Kommunikationsausbildung absolviert. Die hat mich ins Mentaltraining gebracht. In Bad Tölz, Eishockey-Hochburg mit vielen Spitzenspielern, habe ich die ersten Klienten im Mentaltraining gehabt. Das ging weiter im professionellen Bereich, sowohl im Fußball und in anderen Sportarten als auch mit Unternehmern. Viele haben Probleme mit dem Schlaf.

Woran liegt das? Der Stress, der Druck, Erwartungen erfüllen zu müssen, lässt viele Leute schlecht schlafen. Ich habe das Glück, die Kombination aus Medizin und Anästhesie sowie die mentalen Seiten zu kennen. Viele Menschen können einfach nicht abschalten. Wenn medizinische Ursachen ausgeschlossen sind, geht es darum, die eigenen Gedanken so zu steuern, dass ich loslassen und in die Entspannung gehen kann. Aus dem Mentaltraining kenne ich viele Tools. Deshalb war es für mich die logische Konsequenz, mich da weiter zu positionieren. So kamen Vortragsanfragen, Seminare oder Workshops in Unternehmen: Wenn Menschen gut schlafen, können sie Leistung bringen, weil Energie aufgebaut wird. Irgendwann gab es die Frage: Willst du mal ein Buch darüber schreiben?

Mann mit Brille lächelt in die Kamera.

Dr. Martin Schlott, Anästhesist und Schlafcoach: Ausgeschlafen sind Menschen konzentrierter, positiver gestimmt und produktiver. Foto: Nadine Stegemann

Es gibt viele Publikationen über Schlaf. Was unterscheidet Ihr Buch von anderen? Ich schildere die Fakten mit meinen Geschichten und den Erlebnissen im Coaching, natürlich anonym. Dazu gibt es Interviews mit Prominenten, die das Thema aus einem anderen Gesichtspunkt beleuchten. Beim Titel „Erfolgsfaktor Schlaf“ denken viele: Wenn ich schlafe, mache ich nichts. Dabei liegt im Schlaf viel Potenzial. Mir geht es darum, dass jeder morgens aufsteht und in seiner Kraft ist, um die Dinge tun zu können, die ihm am Herzen liegen, weil es ausgeschlafen leichter fällt. Wir sind emotional stabiler, positiver gestimmt, kreativer und funktionieren in Teams besser. Das sind Faktoren, die im Schlaf aufgebaut werden.

Welche Erkenntnisse sind für Sie besonders erstaunlich? Es gibt mehrere Studien zur Umstellung Winterzeit/Sommerzeit: Im Frühjahr verlieren wir eine Stunde. Am Montag darauf ist die Rate an Herzinfarkten etwa 25 Prozent höher als an normalen Montagen. Das zeigt: Wenn ich eine Stunde Schlaf verliere, wirkt sich das aus. Hinweise gibt es auch darauf, dass beim Abnehmen trotz gleicher Kalorienzahl und körperlicher Belastung nur die Schlafdauer von Menschen verändert werden muss: Wer mehr schläft, nimmt leichter ab.

Studien aus dem Sport mit Tennis- oder Basketballspielern zeigen: Wenn sie so lange schlafen dürfen, wie sie wollen, den Bedürfnissen des Körpers nachgeben, sprinten sie schneller, ist die Genauigkeit bei Aufschlägen oder die Rate an Drei-Punkte-Würfen besser. Dahinter stehen die Themen Energie, Motivation, Handlungsschnelligkeit, Koordination und Konzentration. Das sind Faktoren, die nicht nur im Sport, sondern im täglichen Leben und im Beruf eine Rolle spielen.

Schlafen Frauen besser als Männer? Nein. Tendenziell schlafen Männer besser als Frauen. Frauen fühlen sich eher verantwortlich für die Familie, nehmen Dinge oft persönlicher, grübeln mehr als Männer. Frauen haben oft einen leichteren Schlaf als Männer.

Was macht guten Schlaf aus? Beim guten Schlaf geht es einmal um die Quantität. Aber auch die Qualität spielt eine Rolle, damit ich ausreichend Tiefschlaf und Traumschlaf bekomme. Die Schlafphasen wiederholen sich im Laufe der Nacht mehrfach. Am Anfang haben wir mehr Tiefschlaf, zum Morgen hin mehr Traumschlaf. Im Tiefschlaf wird das Immunsystem gestärkt, die Energie aufgebaut, das Gehirn quasi gespült, ein für Zellerneuerung und Muskelwachstum wichtiges Wachstumshormon freigesetzt. Der Tiefschlaf ist wichtig, sollte pro Nacht etwa eineinhalb bis zwei Stunden betragen.

Und was passiert im Traumschlaf? Da findet die Emotionsverarbeitung statt, damit wir am Morgen wieder ausgeglichen sind, mit Freude anderen Menschen begegnen. Kreativität und Lösungskompetenz wird aufgebaut. Deshalb sind diese Schlafphasen sehr wichtig.

Was halten Sie von digitalen Tracking-Systemen, die den Schlaf dokumentieren? Ich finde es klasse, dass es sie gibt. Hier wird natürlich mit indirekten Parametern auf die Schlaftiefe oder die Schlafphase rückgeschlossen. Ins Gehirn guckt man damit nicht. Insofern haben diese Tracking-Systeme ihre Anfälligkeiten, aber sie geben eine sehr gute Orientierung, wie viel Tiefschlaf und Traumschlaf ich hatte.

Gibt es eine ideale Schlafdauer oder ist der Schlaf sehr individuell? Schlaf ist individuell. Aber Studien zeigen: Siebeneinhalb bis acht Stunden Schlaf sind richtig gut. Dann haben wir die besten Ergebnisse. Vorausgesetzt, es gibt die besagten Schlafphasen. Es gibt Menschen, die schlafen tatsächlich sieben oder acht Stunden, sind trotzdem morgens total k.o. und fühlen sich antriebslos. Wenn man dann über eine Tracking-Analyse sieht, dass sie fast keinen Tiefschlaf haben, kann man gut erklären, warum sie sich nicht erholt fühlen. Im Schlafcoaching geht es darum, Anregungen zu geben, wie diese Menschen mehr Tiefschlaf bekommen können.

Wie also sollte man sich auf eine gute Nachtruhe vorbereiten? Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren gelebt haben. Das Leben auf der Erde hat sich immer nach dem Rhythmus der Sonne gerichtet. Die Steinzeitmenschen haben sehr viel in der Natur gelebt, sind mit Beginn des Sonnenlichtes wach geworden und mit einsetzender Abenddämmerung ist Melatonin freigesetzt worden und sie haben sich wieder hingelegt. Zwischendurch waren sie draußen im Tageslicht in Bewegung. Das Tageslicht ist wichtig, um unser Gehirn morgens zu aktivieren. Das synchronisiert unsere innere Uhr und sorgt dafür, dass bestimmte Hormone freigesetzt werden. Wie Serotonin, das als eines der Glückshormone für unsere Ausgeglichenheit gilt. Aus Serotonin wird beispielsweise Melatonin gebildet, deshalb spielt Tageslicht eine wichtige Rolle. Und Bewegung ist wichtig, weil wir mit Bewegung Schlafdruck aufbauen.

Zwei Füße schauen aus einer Decke heraus.

Siebeneinhalb bis acht Stunden Schlaf tun dem Körper gut. Im Tiefschlaf wird das Immunsystem gestärkt, die Energie aufgebaut, das Gehirn quasi gespült. Foto: picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand/dpa

2021 sieht der Alltag etwas anders aus. Heute stehen wir meistens mit dem Wecker schon vorm Sonnenaufgang auf, unterbrechen unseren Schlaf eigentlich. Viele sitzen dann im Auto oder den ganzen Tag im Büro vor künstlichen Lichtquellen. Und abends verlängern wir den Tag mit künstlichem Licht. Um gut schlafen zu können, ist es aber wichtig, raus ins Tageslicht zu gehen. Ganz wichtig ist es, sich zu bewegen. Sport ist gut. Morgens Sport zu treiben oder zu meditieren macht besseren Tiefschlaf, haben Studien ergeben, weil wir dadurch gelassener in den Tag gehen. Wer das nicht kann: Abends eine Stunde spazieren zu gehen, wirkt schon Wunder. Wenn Menschen das annehmen, kann sich Schlaf verändern und verbessern.

Wie findet der Schlafcoach selbst in den Schlaf? Ich stelle mir den Wecker abends auf 21 Uhr, damit ich weiß, jetzt ist es Zeit zum Runterfahren. Ich gebe meinem Körper das Signal, bald ins Bett zu gehen, lese etwas, meditiere oder mache eine Atemübung oder manchmal einen kleinen Spaziergang. Ich nehme oft ein warmes Bad, weil es sehr beruhigend wirkt. Und ich meide helles Licht. In vielen Wohnungen ist das Badezimmerlicht sehr hell, dann ist man wieder wach. Das zeigt, wie wichtig der Faktor Licht ist. Tagsüber hell, abends eher gedimmt.

Halten Sie einen kurzen Mittagsschlaf für sinnvoll? Ja, auf jeden Fall. Wir müssen unserem Körper tagsüber immer mal ein Zeichen geben, kurz zu entspannen. Egal ob es Atemübungen sind oder sich mal zu strecken. Auch im Bürokontext ist Mittagsschlaf gut: Wichtig ist die richtige Dosis. Ich empfehle 20 bis maximal 25 Minuten. Diese Entspannung reicht, um nachmittags wieder leistungsfähig zu sein. Das sollte möglichst vor 15 Uhr sein, um wieder Schlafdruck für abends aufzubauen.

Schichtarbeiter müssen diese Phasen entsprechend in ihren Tagesablauf einbauen? Schichtarbeit ist eine Herausforderung, besonders nachts. Hier ist es wichtig, nicht zu spät Kaffee zu trinken, weil man sonst morgens nicht einschlafen kann, weil das Koffein noch nachwirkt. Aus der Schichtarbeit ist es gut, mit Sonnenbrille nach Hause zu fahren, wenn man sich gleich hinlegen will, um die Lichteinflüsse aus dem Gehirn fernzuhalten.

Sollten Partner gleichzeitig schlafen gehen? Jeder sollte nach seinem Rhythmus gehen. Oft ist es so, dass der eine lieber früher, der andere lieber später ins Bett geht. Wenn sich das synchronisieren lässt, ist das ein Glücksfall. Wer später ins Bett geht, weckt den Partner oft ja wieder, mit Geräuschen oder Lichteinfall. Ich empfehle Paaren, wenn es räumlich möglich ist, sogar getrennt zu schlafen, wenn jemand lieber später ins Bett geht oder einer schnarcht und der andere nicht einschlafen kann. Das muss jedes Paar intern verhandeln.

Hängt die Qualität des Schlafes mit dem Alter zusammen? Kleine Kinder schlafen viel. Das wird später weniger. Im Alter tun sich viele Leute schwerer mit dem Schlafen, machen tagsüber mal ein Nickerchen. Aber es bringt nichts, sich mehrmals tagsüber hinzulegen, weil man dann abends keinen Schlafdruck aufbaut. Auch eine lange Mittagsstunde ist nicht hilfreich, wenn man nachts gut schlafen will.

Was halten Sie von Präparaten, die guten Schlaf versprechen? Schlaftabletten sind grundsätzlich keine gute Idee. Sie haben ihre Berechtigung bei kurzfristigen Themen wie psychischer Belastung. Mein Weg ist eher der natürliche Schlaf. Was Melatonin-Produkte betrifft: Richtig wissenschaftlich bewiesen ist es nicht, dass sie wirklich helfen. Oft ist es eher der Glaube, der da hilft, wenn man so etwas nimmt, um besser zu schlafen.

Ihre Tipps für einen besseren Schlaf? Der bewusste Umgang mit Licht. Also Smartphones im Bett weglassen. Das eine ist das Licht, aber der zweite Faktor ist, dass diese Nachrichten etwas mit uns machen. Eine WhatsApp-Nachricht hält das Gehirn aktiv. Man bleibt länger online, als man eigentlich vorhat. Achten sollte man auf ein Entspannungsritual, eine Atemtechnik oder Meditation, wenn es guttut. Alkohol stört den Schlaf. Er sorgt zwar dafür, dass wir gut einschlafen können, aber nicht gut durchschlafen. Solange der Alkohol im Körper abgebaut wird, kommen wir nicht in die tiefen Schlafphasen. Alkohol treibt, beim Toilettengang sind wir wieder wach. Danach kann man nicht mehr gut einschlafen, weil Alkohol euphorisierend wirkt. Essen sollte man spätestens zwei bis drei Stunden vorm Zubettgehen. Nicht zu fett oder fleischhaltig, sondern eher leichte Kost, damit der Körper sich nicht zu sehr anstrengen muss beim Verdauen.

Und was hilft, um abends den gestressten, grübelnden Kopf abzuschalten? Ein Tagebuch führen: Die Dinge stichwortartig aufschreiben, die mich beschäftigen. Dazu ein paar Dinge, die ich am nächsten Tag tun werde. Dann habe ich mir das von der Seele geschrieben. Und Dinge aufzuschreiben, die toll waren an diesem Tag, wofür man dankbar ist. Damit drehe ich den Fokus weg von den Dingen aus der Vergangenheit, die mich ärgern, hin zu guten Dingen. Wir sind oft zu kritisch mit uns, stressen uns selber. Es muss nicht immer alles perfekt sein. Es gibt Möglichkeiten, damit umzugehen.

Zur Person

  • Dr. med. Martin Schlott ist Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin an einer Klinik in Bad Tölz und außerdem Schlafcoach. Er zeigt Führungskräften, Leistungssportlern und Spitzenpolitikern, wie guter Schlaf funktioniert, was sie fitter und erfolgreicher macht, hält Vorträge und gibt Seminare. Dabei verbindet er medizinisches Wissen und bewährte Mentaltechniken mit der Erfahrung aus Hypnose und Veränderungsprozessen.
  • Der 55-Jährige ist unter anderem in Tiste bei Sittensen aufgewachsen, hat das Abitur am Zevener St. Viti-Gymnasium gemacht und anschließend Medizin in Hamburg und den USA studiert. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern, lebt und arbeitet in Bad Tölz
  • In seinem Buch erklärt Martin Schlott den Zusammenhang zwischen Schlaf und Leistungsfähigkeit, zeigt Gründe für ausbleibenden oder schlechten Schlaf auf und weiß, mit welchen kleinen Veränderungen des Alltags sich die nächtliche Erholung optimieren lässt. Zu Wort kommen unter anderen auch der LinkedIn-Mitgründer Konstantin Guericke aus Zeven, Radiomoderator Wolfgang Leikermoser, Intensivkrankenschwester Franziska Lubojanski, Ernährungsexpertin Friederike Feil, Ex-Tennisprofi Tommy Haas und Musiker Peter Maffay.
Lutz Hilken

Lutz Hilken ist in Zeven geboren und in der Region aufgewachsen. Seit 1987 schreibt er über so ziemlich alles, was die Menschen bewegt - außer Sport. Privat zieht es ihn mit Vorliebe in die Natur, um auf langen Wanderungen abzuschalten.

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