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Das Leid der Schafe ist nach Wolfsattacke bei Stade kaum zu ertragen

55 Schafe sind in der Nacht zu Samstag einer Wolfsattacke in Stade zum Opfer gefallen. „Uns bot sich ein Bild des Schreckens“, berichtet ein Jäger dem Tageblatt (Stade). Das Tragische: Der angeblich wolfssichere Zaun schützte die Tiere in Gräpel nicht. Die Jägerschaft ist alarmiert.

Wölfe haben am Wochenende bei Stade viele Schafe getötet.

Wölfe haben am Wochenende bei Stade viele Schafe getötet. Foto: Armin Weigel/dpa (Symbolfoto)

Der vom Land Niedersachsen mit 28.000 Euro geförderte teure wolfsabweisende Zaun war erst am Freitag von dem Schafhalter aufgestellt worden. 112 Schafe sollten hinter dem Zaun vor dem Wolf geschützt werden, die Schafe waren nachmittags auf die Weide getrieben worden.

Doch in der Nacht zu Samstag streiften mehrere Wölfe durch die Gegend. Ein Jäger entdeckte frühmorgens die erste Wolfsfährte in seinem Revier und informierte weitere Jäger. Dann kam der Anruf wegen toter Schafe.

Erst nach und nach wurde klar, wie viele der Schafe die Attacke durch mehrere Wölfe auf der eingezäunten Weide nicht überlebt hatten. Der herbeigerufene Jäger spricht von einem „Bild des Grauens“, das insbesondere für den Halter, aber auch für die drei Tierärzte und ihn selbst „schwer zu ertragen“ war.

18 Tiere sind sofort tot

18 Tieren seien sofort tot gewesen, berichtet der Estorfer, der aufgrund möglicher Anfeindungen durch Tierschützer anonym bleiben will. Weitere 37 Tiere mussten noch vor Ort von den Tierärzten von ihrem Leid befreit werden. Ein dritter Mediziner musste letztlich hinzugezogen werden.

Das Medikament fürs Einschläfern drohte laut Jäger auszugehen. „Ich hatte ihnen angeboten, die Tiere mit meinem Revolver zu erlösen“, sagte der Jäger. Doch das hätte aufgrund der gesetzlichen Vorgaben beim Tierschutz vorher durch einen Amtstierarzt im Kreis-Veterinäramt genehmigt werden müssen. Weitere 30 Schafe seien verletzt worden, zwei Tiere werden vermisst.

Der Einsatz dauerte mehr als drei Stunden. Auch ein Wolfsberater war vor Ort, Genmaterial der Wölfe wurde und wird gesichert. Sicher sei allerdings, dass Wölfe die Tiere getötet und zum Teil lebensgefährlich verletzt hätten.

Fährten, wie gut sichtbare Pfotenabdrücke, seien fotografisch dokumentiert worden. Auch die anderen Spuren deuteten auf den Wolf hin. Ob es sich bereits um ein Rudel oder mehrere Jungwölfe handelt, ist vorerst noch offen.

Jägerschaft fordert Land zum Handeln auf

Die Deichverbände an der Niederelbe und die Jägerschaft schlagen Alarm - zum wiederholten Male. Die örtlichen Landtagsabgeordneten müssten sich dafür einsetzen, dass die Vereinbarungen in den Koalitionsverträgen auf der Bundes- und der Landesebene endlich umgesetzt werden - für ein europarechtskonformes und, mit Blick auf den Deichschutz an der Küste, auch regional differenziertes Bestandsmanagement.

Angriffe auf Schafherden wie in Gräpel hätten gezeigt, dass im küstennahen Grünland nicht erst seit heute die Anwesenheit von territorialen Rudeln dem von der Politik propagierten Ziel der „Weidehaltung“ entgegenstehe. Sowohl Weidetierhaltung als auch Deichsicherheit seien durch die wachsende Population gefährdet.

Appell an Ministerpräsident Stephan Weil

Die Jägerschaft im Landkreis Stade appellierte an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), zu seinem Wort zu stehen. Dieser hatte erst am 15. August in Freiburg betont, dass es Ziel der Landesregierung sei, den Bestand in den durch Wolfsangriffen überlasteten Regionen so lange zu reduzieren, bis es „kein Übermaß an Schäden mehr gibt“. Weil selbst hatte von einer „unerträglichen Situation“ gesprochen. Er hofft, dass Bund und EU die Gesetze und Richtlinien entsprechend ändern.

Im Kreis Stade sei das Maß voll. Der Vorfall in Gräpel zeige, dass jetzt schnelles Handeln gefordert sei und der Küsten- und Deichschutz schnelle Antworten benötige, so die Jägerschaft. „Wir fordern nicht nur ein schnelles Handeln von Land und Bund zur Reduzierung des Wolfsbestandes, sondern auch eine unbürokratische Hilfe für den betroffenen Schäfer“, sagte der Vorsitzende der Jägerschaft im Kreis Stade, Peter Hatecke, am Sonntag dem Tageblatt.

Hatecke und die Sprecherin der Jägerschaft, Julia Seefried, verwiesen auf die „Auricher Erklärung“ vom April 2023. Sie sind sich weiterhin mit der Jägerschaft an der Küste und vor Ort mit den drei Oberdeichrichtern für das Alte Land und Kehdingen-Oste einig, dass die Wölfe in den Marschen nichts zu suchen haben. Notwendig seien wolfsrudelfreie Zonen in den Marschen und in den küstennahen Landkreisen.

Deichverbände unterstützen Jäger und Weidetierhalter

Oberdeichgraf Dr. Albert Boehlke (Kehdingen-Oste) stieß in dasselbe Horn. Der Kehdinger verwies auf Kanada. Dort werden Bären und Wölfe geschützt, gefährliche aber geschossen.

In sturmflutbedrohten Regionen müssten Deich- und Schafschutz einen Vorrang vor dem Wolfsschutz haben, so auch Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts. Denn die Schafe verdichten den Boden und halten die Deich-Grasnarbe kurz und letztlich geschlossen. Die feste Grasnarbe schützt - wie ein Panzer - den Kleimantel des Sandkerns. Die Schäfer dürften keine Angst um ihre Tiere haben müssen. Es müsse verhindert werden, dass sie aufgeben. Rund 1,1 Millionen Menschen lebten allein im Land Niedersachsen im Schutz der Deiche. Ihr Leben und ihr Hab und Gut hätten Vorrang.

Wolfsabweisende Zäune bringen keinen Schutz

Mittlerweile gebe es landesweit mindestens 44 Rudel, ein Wolfspaar und vier residente Einzelwölfe. Dank internationaler Schutzbemühungen, zum Beispiel über die FFH-Richtlinie der Europäischen Union, würden wolfsfreie Zonen den westeuropäischen Wolf weder in Deutschland noch in Niedersachsen in seinem Bestand gefährden. Rund 1500 Wölfe leben in Deutschland. Davon streifen bis zu 500 in Niedersachsen durch die Landschaft, vor allem in Küstennähe und in der Heide.

Schafe, auch das zeige der Vorfall, seien an Küstendeichen und in Grünlandregionen mit hoher Weidetierdichte durch Umzäunung nicht zu schützen, so der Estorfer Jäger. Ein Wolf könne locker zwei Meter hochspringen.

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